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Datum:09.06.04
Titel:idw v. 09.06.2004: Zunehmend trockeneres Klima in Tibet - Traditioneller Gersteanbau sollte intensiviert werden
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Details1:Informationsdienst Wissenschaft - idw - - Pressemitteilung
Johannes Gutenberg-Universitaet Mainz, 09.06.2004

Zunehmend trockeneres Klima in Tibet - Traditioneller Gersteanbau sollte
intensiviert werden

Erstmals recherchierte chinesische Daten belegen Klimaveraenderung
zwischen 1954 und 1990 - Klimaentwicklung in Tibet kann Monsun
beeinflussen




(Mainz, 9. Juni 2004, lei) Das Zentrum des tibetischen Ackerbaus zeigt
zwischen 1954 und 1990 eine Verschiebung der Klimaverhaeltnisse hin zu
trockeneren Bedingungen. Zur Sicherung der Getreideernten sollte daher
wieder vermehrt Gerste angebaut werden. Zu diesem Ergebnis kommen PD Dr.
Axel Thomas von der Johannes Gutenberg-Universitaet Mainz und Prof. Chen
Shenbin von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften in Beijing in
einer gemeinsamen Studie. Die chinesische Verwaltung hat im Zuge der
Sinisierung Tibets den Weizenanbau gefoerdert.

Das Hochland Tibets stellt einen der klimatisch extremsten Raeume der
Erde dar. In weiten Bereichen mit Hoehen ueber 4.500 m ue. NN sind nur
vergleichsweise kleine Gebiete fuer den Ackerbau nutzbar. Dazu zaehlt
das Tal des Yarlong Tsangpo, wie der Oberlauf des Brahmaputra in Tibet
genannt wird. Hier findet sich das Zentrum des tibetischen Ackerbaus mit
einer Flaeche von etwa 200000 ha auf einer Hoehe zwischen 3.500 und
3.900 m. Klimadaten ueber diese Region hat die chinesische Verwaltung
bislang nur restriktiv herausgegeben. Durch die Partnerschaft mit Chen
Shenbin gelang es Axel Thomas, umfangreiches Datenmaterial zu erhalten.
"International zugaenglich sind in Tibet etwa zehn Messstationen", so
Thomas. "Dank der Zusammenarbeit koennen wir auf die Daten von ueber 200
Stationen zugreifen."

Die extremen Klimabedingungen Tibets ergeben sich vor allem aus der
Hoehenlage. Durch die starke Sonneneinstrahlung koennen sich Luft und
Boden am Tag rasch erwaermen. Die Ausstrahlung fuehrt zu einer ebenso
schnellen Abkuehlung bei Nacht. Fuer den Ackerbau sind diese starken
Tag-Nacht-Unterschiede jedoch guenstig: Durch die kraeftige
Sonneneinstrahlung kommt die Photosynthese tagsueber richtig in Gang und
die Pflanzen koennen Blattmasse bilden. Umgekehrt findet nachts wegen
der Kaelte kaum ein Abbau von Kohlenhydraten in den Pflanzen statt. Das
traditionelle Getreide der Tibeter, die Gerste, hatte sich unter diesen
Bedingungen besonders bewaehrt. Noch heute nimmt Gerste mit 75 Prozent
den Hauptanteil der Getreideanbauflaechen ein. Sommerweizen - von der
chinesischen Verwaltung im Rahmen der Sinisierung Tibets als
"zivilisiertes Getreide" gefoerdert - kommt trotz hoeherer
Hektarertraege nur auf 20 Prozent der Flaeche vor. Die restlichen fuenf
Prozent werden mit Winterweizen bebaut. "Weizen wird von der
chinesischen Regierung sehr stark gefoerdert, braucht aber
vergleichsweise viel Wasser", erlaeutert Thomas.

Aber gerade das Wasser ist beim tibetischen Ackerbau das begrenzende
Element - wenn nicht das periodische Hochwasser des Monsuns in den
tieferen Tallagen den Anbau voellig unterbindet. Die nutzbaren Flaechen
des subtropischen Hochtals am Yarlong Tsangpo erhalten nur wenig
Niederschlaege bei gleichzeitig hoher Verdunstung. Die
Verdunstungsmengen erreichen teilweise Werte, die Standorte in den
nordwestchinesischen Wuestengebieten noch uebertreffen koennen. Der
Wasserbedarf der Kulturpflanzen wird dadurch nur etwa zu 40 bis 60
Prozent durch Niederschlag und Bodenwasser gedeckt. Ueber den
Untersuchungszeitraum von 1954 bis 1990 zeigen die berechneten
Wasserbilanzen eine Verschiebung der Klimaverhaeltnisse hin zu
trockeneren Bedingungen. Axel Thomas und Chen Shenbin raten daher zu
einer Optimierung der Bewaesserung, wobei es gilt, die hohen
Leitungsverluste zu verringern. "Die Kanaele sind in einem so schlechten
Zustand, dass oft nur die Haelfte des Wassers ankommt", kritisiert
Thomas. Eine unmittelbare und unproblematische Steigerung der
Ernteertraege koennte, so die beiden Geowissenschaftler, durch
vermehrten Anbau von Gerste auf Kosten von Weizen erreicht werden. "Ein
Umdenken in der momentanen, politisch motivierten Landwirtschaftspolitik
koennte bereits zu einer deutlichen Verbesserung der Situation fuehren",
meinen die Experten.

Die im Rahmen eines DFG-Projektes gemachten Hochrechnungen bis zum Jahr
2010 lassen erwarten, dass sich der Trend zu arideren Bedingungen weiter
fortsetzt und damit ein Umdenken noch dringlicher wuerde. Inwieweit die
globale Erwaermung auch die klimatische Situation auf dem tibetischen
Hochplateau beeinflusst, laesst sich anhand der bisherigen Daten nicht
sagen. "Der staerkste Temperaturanstieg erfolgte erst zwischen 1990 und
dem Jahr 2000", so Thomas. "In diesem Zeitraum ist die Verdunstung in
vielen Regionen Tibets nach unseren ersten Untersuchungen aber
gleichzeitig gesunken". Er will nun als naechstes die Daten fuer diesen
Zeitraum einer genauen Analyse unterziehen.

Eine solche Analyse ist nicht nur fuer die lokale Landwirtschaft im
tibetischen Yarlong-Tsangpo-Tal von Bedeutung. "Das Hochland von Tibet
spielt bei der Entstehung des asiatischen Monsunsystems eine
entscheidende Rolle", erklaerte Thomas. Veraenderungen in Tibet koennen
also auf die gesamte ostasiatische Region rueckwirken. Selbst
Auswirkungen auf die klimatischen Verhaeltnisse groesserer Bereiche der
Nordhemisphaere sind, so Thomas, nicht auszuschliessen.

Kontakt und Informationen:
PD Dr. Axel Thomas
Geographisches Institut
Tel. 06131-3920974
Fax 06131 3924735
E-Mail: A.Thomas@geo.uni-mainz.de




Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.geo.uni-mainz.de/thomas
http://zope.verwaltung.uni-mainz.de/presse/bilder/Tibet
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